Forum

Schreib weiter!

5. Kapitel
Habichtjunges quiekt erschrocken auf und stößt gleich darauf ein schrilles Jaulen aus. Sie liegt am Boden - den Kopf in den Staub gedrückt, versucht sie sich langsam aufzurappeln.
Bevor Lichtjunges realisieren kann, was geschehen ist, kommt Winternebel zu Habichtjunges geeilt und beschnuppert besorgt die tiefen Kratzer über deren Nase und an der Flanke.
"Habicht! Was ist den passiert?", fragt sie entsetzt, während sie die Wunde säubert.
"D-das... Das war... Lichtjunges!!", stammelt Habichtjunges nach einiger Zeit unter lautem Schniefen.
"Lichtjunges?"
Winternebel lässt von Habichtjunges ab und sieht Lichtjunges ungläubig an. Lichtjunges schaut genauso verwundert zurück.
Ich? Ich war das?
Ihre Pfote kribbelt unheilvoll. Sie senkt den Blick und bemerkt erst jetzt ihre ausgefahrenen Krallen.
Natürlich warst du das, Mäusehirn.
"Lichtjunges..."
Winternebel's Augen weiten sich.
"Warum hast du deine Schwester verletzt?"
Warum habe ich das getan?
Fragend und gleichzeitig vorwurfsvoll ist der Blick ihrer Mutter, während sie auf eine Antwort wartet.
"Sie... sie hat den Moosball zerfetzt...", haucht Lichtjunges.
Das schlechte Gewissen nagt an ihrem Innern.
"Sie hat was?"
Winternebel schüttelt verständnislos den Kopf.
"Und deshalb verletztst du sie!?"
Lichtjunges hebt den Kopf. Tränen der Schuld schimmern in ihren Augen. Aus Habichtjunges' Wunden quillt frisches Blut, was sie jedoch nicht davon abhielt, Lichtjunges wütend anzusehen. Lichtjunges legt die Ohren an.
Hat Habicht etwa noch nicht genug?
Zeig ihr, wer die Stärkere ist!
Lichtjunges sträubt das Fell. Ein Knurren dringt aus ihrer Kehle. Habichtjunges maunzt verängstigt und kauert sich hinter Winternebel zusammen. Entschieden tritt diese zu Lichtjunges, packt sie am Nackenfell und trägt sie in die Kinderstube.
Lichtjunges strampelt wie wild mit den Beinen.
"Lass mich los! Sie hat es verdient. Sie hat eine Strafe verdient. Lass mich sie für ihre Taten bestrafen!"
Hat sie das gerade wirklich gesagt?

6. Kapitel
Die folgenden Tage verbringt Lichtjunges in der Kinderstube. Hauptsächlich allein, denn ihre Geschwister erkunden mit Winternebel das Lager. Nur Thymianjunges kommt sie ab und zu besuchen.
"Was hast du dir dabei gedacht?"
Thymianjunges' Stimme ist weder strafend, noch verurteilend - er versteht sie, auch, wenn er ihre öffentliche Attacke gegen Habichtjunges kritisiert.
"Du weißt, dass dein Angriff alles nur noch schlimmer gemacht hat?"
Lichtjunges erwidert nichts darauf. Was sollte sie auch sagen? Thymianjunges hat recht; das weiß sie. Doch sie spürt keinerlei Schuldgefühle mehr. Die Stimme in ihr gibt ihr Kraft und die Stärke, die sie braucht, um sich bei Habichtjunges nicht zu entschuldigen. Jeden Abend, sobald Winternebel mit den drei Jungen die Kinderstube betritt, erkennt Lichtjunges ihre Enttäuschung. Anfangs schmerzte das schlechte Gewissen in ihr. Doch sie folgte den Anweisungen der Stimme; tut sie noch immer.
Thymianjunges geht - er kann sie nicht zwingen ihm zu antworten, mit ihm zu sprechen.
Der Abend dämmert. Winternebel würde bald zurückkehren. Zusammen mit Thymianjunges, Beerenjunges und Habichtjunges.

"Lichtjunges, komm zur Vernunft."
"Warum sollte ich mich entschuldigen?"
"Habicht ist deine Schwester. Du hast sie verletzt. Wir können von Glück reden, dass sich die Wunden nicht entzündet haben."
"Ich habe mich nur gewehrt."
"Gewehrt? Wovor?"
"Vor ihren Worten."
"Worte?", fragte Winternebel.
"Lichtjunges. Worte bekämpft man mit Worten. Nicht mit Krallen."
Wespenstern mischt sich nun auch in das Gespräch ein. Das ist das erste Mal seit dem Ereignis mit Habichtjunges, dass er die Zeit findet, mit Lichtjunges zu sprechen. Nun erhebt er die Stimme.
"Lasse nicht Wut und Kampflust deine Gefühle beherrschen."
"Habichtjunges hat angefangen. Sie fängt immer an. Ich habe bisher nichts gesagt. Sie... Sie würde nicht aufhören. Sie würde immer weiter machen! Habe ich eine Wahl!?"
Wüstenstern zeigt keine Reaktion. Sein Gesicht wirkt steinern. Lichtjunges erkennt deutlich das Entsetzen über ihren Ausbruch hinter seinem Blick, was er krampfhaft zu verbergen versucht.
"Lichtjunges. Wer spricht in dir?"

Cool:

7. Kapitel
Sie hat sich herausreden können. Hat beteuert, dass niemand zu ihr spricht, dass niemand sie kontrolliert. Sie hat sich bei Habichtjunges entschuldigt. Hat sich schuldbewusst und demütig verhalten, so, wie es von ihr erwartet wird.
Die Stimme in ihr wütet. Sie schreit, sie tobt. Lichtjunges sitzt in einer Ecke der Kinderstube, im Schatten der Farne, die hier wachsen; unberührt von den Sonnenstrahlen, die die Decke der Kinderstube durchdringen. Die Ohren fest an den Kopf gepresst, versucht sie, die Stimme zu ignorieren, auszublenden.
Doch die Stimme ist stark; das Wesen ist stark, zu der die Stimme gehört.

Los! Steh auf! Du Feigling.
Ich bin kein Feigling. Ich tu das Richtige. Lass mich in Ruhe. Lass mich doch einfach in Frieden.
Sei still. Du weißt nichts. Steh auf.
Die Stimme - so eindringlich, so unbeugsam. Ihr Kopf schmerzt, so sehr. Der Druck ist fast unerträglich. Lichtjunges stemmt sich auf die noch kurzen Beine. Gibt sich der Stimme hin.
Rechts von dir befindet sich ein alter Kaninchenbau. Krieger schütteten ihn zu. Grabe!
Lichtjunges tut mehrere wackelige Schritte zu der beschriebenen Stelle. Mit zitternden Pfoten beginnt sie zu graben. Die Erde ist leicht zu entfernen, hat sich im Laufe der Zeit gelockert. Der Gang ist schnell freigelegt.
Hinein. Bevor andere merken, dass du fort und der Gang offen ist.
Ich habe schon genug Ärger... Warum das alles?
Sei still. Ich muss mich konzentrieren.
Lichtjunges' Lider werden schwer. Sie versucht, sie offen zu halten und gegen die plötzliche Müdigkeit anzukommen, doch vergebens. Ihre Augen fallen ihr zu und wie sie sie wieder öffnet, ist alles schwarz.
Was hast du getan!?, fragt sie panisch.
Die Stimme antwortet nicht.
Ihre Beine beginnen sich zu bewegen. Stolpernd und etwas unkontrolliert läuft Lichtjunges über raue Erde und spitze Steine, die ihr in die Ballen stechen. Sie will stoppen, stehen bleiben.
Ich sehe nichts!!
Doch ihr Körper gehorcht ihr nicht. Ihre Pfoten bewegen sich von allein.
Nein... Nicht von allein..., dachte Lichtjunges.
Das Wesen in ihr kontrolliert sie.
Wer bist du?
Erneut keine Antwort.
Lichtjunges schweigt. Sie kann nichts tun. Tag für Tag wird das Wesen stärker. Übernimmt ihre Gedanken, ihre Stimme und nun auch ihren Körper.
Eines Tages wird es meinen Geist übernehmen.
Ein Zittern durchfährt sie. Ihre eigenen Gedanken lassen sie erschauern.
Niemand stiehlt mir meine Seele!!
Neue Kraft wallt in ihr auf.
"Niemand... stiehlt mir meine Seele!"
Das Wesen kreischt wie unter furchtbaren Schmerzen. Lichtjunges drängt es krampfhaft zurück. Es versucht sich zu wehren, doch ihre Wut ist stärker. Ihr Körper fühlt sich wie in Brand gesetzt. Doch sie fühlt ihn. Und das ist gut. Sie ist stärker. Noch...
Nur wie lange wird das so bleiben?
Die aufkommenden Zweifel werfen sie aus der Bahn. Doch auch das Wesen in ihr ist erschöpft.
Lichtjunges blinzelt heftig. Vor ihren Augen tanzen Schatten, doch ihre Sicht wird langsam klarer. Vor sich erkennt sie Licht in den Gang fallen.
Die Kinderstube?
Wankend tappt sie darauf zu, schlüpft ins Freie. Sie steht im Wald.
Eine Last legt sich auf sie. Wie eine unsichtbare Kralle drückt die Erschöpfung sie zu Boden.
Keuchend bricht Lichtjunges zusammen.

Danke^^