Der Sonnenclan
Schwarzstern

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Forum - Todeslied

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Farnjäger
(1802 Posts bisher)
31.01.2018 18:12 (UTC)[zitieren]
Kapitel 12
"Das Territorium hast du ja schon kennengelernt."
Der Unterton, der in der Stimme ihres Mentors mitschwingt, lässt Lichtpfote's Laune noch tiefer sinken. Sie zwingt sich, keine patzige Antwort von sich zu geben und läuft weiter still hinter Schwarzdorn her. An den Tag, als sie ihn im Wald antraf, damals, noch vor ihrer Schülerzeit, erinnert sie sich noch gut. Und die Frage, ob er noch mehr gesehen, ob er sie schon zuvor gefunden und beobachtet hat, geistert immer wieder in ihrem Kopf herum.
"Ich werde dir dennoch ein paar Orte zeigen, an denen du besonders achtsam sein musst."
Ich kenne mich aus. Ich brauche deine Hilfe nicht.
"Tu dir keinen Zwang an."
Er schweigt, ändert leicht die Richtung. Zu den Klippen, an denen schon Katzen ums Leben gekommen sind. Lichtpfote weiß es, denn sie lauscht oft und gern den Geschichten der Ältesten.
Stimmen reißen sie aus ihren Gedanken. Nicht weit entfernt sieht sie mehrere Katzen.
Die Jagdpatrouille.
Lichtpfote mustert die sich nähernden Katzen. Beerenpfote mit seinen kurzen, stämmigen Beinen, die ihn im Kampf sehr von Nutzen sind. Direkt neben ihm läuft Eichenblatt, ein junger Krieger und Mentor von Thymianpfote. Auch wenn Lichtpfote sein Gesicht in dem Dickicht des Waldes nicht gut sehen kann, so erkennt sie ihn an seiner schlanken Gestalt und dem geschmeidigen Gang. Die beiden differenzieren sich voneinander, abgesehen von der Fellfarbe, wie Tag und Nacht und Lichtpfote würde darüber lachen können, wäre ihr diese Erkenntnis nicht schon lange zuvor gekommen gewesen. Hinter Beerenpfote tritt nun Dunkelmeer aus dem Unterholz. Unwillkürlich schlägt Lichtpfote's Herz höher. Sie würde die Kriegerin so gern mit irgendetwas beeindrucken können. Doch Dunkelmeer wirft ihr nur einen kurzen Blick zu, dann wendet sie sich ihrem Schüler zu. Enttäuscht legt Lichtpfote die Ohren an.
Die Patrouille ist stehen geblieben und wartet auf die Neuankömmlinge. Schwarzdorn bleibt wenige Katzenlängen vor den anderen stehen und nickt ihnen grüßend zu. Eichenblatt trennt sich von der restlichen Gruppe und kommt auf Schwarzdorn zu.
"Wie läuft das Training?"
"Lichtpfote ist eine gute Schülerin."
Das ist untertrieben. Sie hat jede seiner Forderungen erfüllt, fängt selbst Vögel schon mit Leichtigkeit von den Bäumen und hätte ihren Mentor letztens beinahe im Kampf niedergerungen. Lichtpfote gräbt die Krallen in den Boden. Was will Schwarzdorn damit erreichen, dass er seine Schülerin schlechter darstellt, als sie ist?
Sie schnaubt leise und dreht sich weg, sucht das Dickicht nach dem weiß gescheckten Pelz ihres Bruders Thymianpfote ab. Doch er scheint die Patrouille nicht begleitet zu haben. Langsam tappt sie zu Beerenpfote.
"Wo ist Thymian?"
"Ist wohl noch jagen."
"Habt ihr nicht auf ihn gewartet?"
"Unsere Aufgabe war es, ein Beutestück zu fangen", antwortet Beerenpfote. "Ich habe ein Eichhörnchen dort hinten zwischen den Birken vergraben."
Lichtpfote erkennt den Stolz in den Augen ihres Bruders und nickt, bemüht sich, anerkennend zu wirken. Überhaupt ist sie froh, dass er wieder normal mit ihr spricht. Er läuft zwar noch immer gern Habichtpfote nach und verhält sich in deren Gegenwart meist sehr abweisend Lichtpfote gegenüber, doch ihr Verhältnis hat sich mittlerweile gebessert.
"Hast du auch etwas gefangen?", fragt er neugierig und wippt leicht auf den Pfoten vor Aufregung.
"Ja, zwei Mäuse", miaut sie, erwähnt nicht noch das Eichhörnchen, um ihm die Begeisterung zu lassen. "Braucht Thymian immer so lang?"
Es ärgert sie, dass Schwarzdorn es bevorzugt, allein mit ihr zu trainieren. Das Einzeltraining distanziert sie von ihren Geschwistern und auch von den anderen Schülern, die oft in Gruppen zusammen üben.
"Ja. Ich will ja nicht schlecht über ihn reden, aber er macht sich echt nicht gut im Training."
Beerenpfote schlägt betreten die Augen nieder.
"Wahrscheinlich ist er immer noch dabei, etwas zu fangen."
Lichtpfote sieht sich nachdenklich um.
"Sollten wir ihn nicht mal suchen?"
Ihr Bruder zuckt mit den Schultern.
"Ich muss bei Dunkelmeer bleiben. Sie würde mir den Kopf abreißen, wenn ich jetzt gehe."
Das Knirschen von Laub lässt Lichtpfote aufhorchen. Schnelle Schritte sind zu hören. Sie kommen näher, direkt auf die Katzen zu und die junge Kätzin sträubt leicht das Fell. Beerenpfote tut es ihr gleich und auch die anderen drehen sich verwundert um. Nur wenig später bricht Thymianpfote aus dem Gebüsch, schwer atmend und mit gehetztem Blick.
"Wir... müssen weg... Hunde!!"
Farnjäger
(1802 Posts bisher)
18.02.2018 14:05 (UTC)[zitieren]
Kapitel 13
Der Drang zu fliehen ist stark. Doch noch stärker zerrt die Neugier an ihr und Lichtpfote lässt sich zurückfallen. Nur ein wenig, Beerenpfote und Thymianpfote müssen es ja nicht mitbekommen.
Sie haben die Anweisung erhalten, sich auf Bäumen oder im Unterholz in Sicherheit zu bringen, Hauptsache möglichst weit fort. Noch seien sie nicht gut genug, um sich im Kampf in den Reihen der Krieger einzuordnen, die soeben gegen die Hunde vorzugehen versuchen.
Lichtpfote knurrt leise. Sie ist sehr wohl gut genug.
Doch Schwarzdorn will das ja nicht einsehen.
Ihre Brüder verschwinden aus ihrem Sichtfeld. Sie bleibt stehen, wartet noch ein wenig, lauscht. In der Ferne kann sie fremde Laute wahrnehmen. Das heisere Bellen der Hunde. Lichtpfote stellt interessiert die Ohren auf. Sie hat noch nie einen Hund gesehen. Es sollen, laut Thymianpfote, Zwei sein.
Ich werde nur einen Blick auf sie werfen.
Sie dreht sich um, macht ein, zwei Schritte, bleibt wieder stehen.
Nun mach schon.
Ihr fällt auf, wie lange sie die Stimme nicht mehr so deutlich gehört hat.
Ich darf nicht.
Wer sagt das?
Und sie geht weiter. Denn die Neugier siegt. Nur die Neugier. Nicht die Stimme. Nein. Das Wesen in ihr hat nichts damit zu tun.
Sie glaubt sich selbst nicht.
Dennoch folgt sie dem Weg, den sie gekommen war, zurück. Die Geräusche werden lauter. Die Krieger wollten die Hunde aus dem Territorium locken. Es muss zu einem Kampf gekommen sein. Ihre Pfoten beginnen zu kribbeln. Sie läuft schneller, rennt.
Ein Schrei durchtrennt die Luft. Mit gesträubtem Fell prescht Lichtpfote durch das Unterholz, unbedacht der Dornen, die ihr am Fell reißen. Sie nähert sich einer Lichtung, bricht aus dem Dickicht ins Freie und mitten in den Kampf. Die Hunde sind riesig, jedenfalls größer, als sie bislang dachte. Mit aus dem Maul hängender Zunge und den krallenbesetzten Pranken, die sicher vier Mal so groß wie die Pfoten einer Katze sind, geben sie einen für Lichtpfote furchterregenden Eindruck.
Mittlerweile sind noch zwei andere Krieger eingetroffen, es scheint eine weitere Patrouille zu sein, die den Lärm zufällig gehört haben muss. Lichtpfote erkennt Kieselmond und Funkenblitz. Die beiden attackieren einen großen, schwarzen Hund und drängen ihn in den Wald. Funkenblitz ist vor einem halben Mond frühzeitig zum Krieger ernannt worden. Er hat allein einen Fuchs aus dem Territorium vertrieben und seine damalige Mentorin, Kieselmond, erklärte ihn für bereit. Seine Geschwister Sandpfote und Wasserpfote schlafen noch mit Lichtpfote in einem Bau.
Er kämpft gut.
Doch viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht. Es sind drei Hunde, Thymianpfote musste einen in der Hast übersehen haben. Während Schwarzdorn und Eichenblatt gemeinsam einen kleineren Braunen abwehren, hat Dunkelmeer mit einem weißen Rüden zu kämpfen, der so gar nicht den Eindruck macht, er könne demnächst müde werden. Lichtpfote springt ohne zu Zögern an ihre Seite und verpasst dem Hund eine tiefrote Schramme auf dem makellos weißen Fell. Er gibt ein kurzes Jaulen von sich, doch ihm scheint der Spaß an dem Kampf noch nicht vergangen zu sein. Mit wild glänzenden Augen schnappt er nach Lichtpfote's Gesicht, die gerade noch den Kopf einziehen kann.
"Was tust du hier?", dringen Dunkelmeer's gezischte Worte an ihr Ohr.
"Ich werde euch helfen."
Lichtpfote bemüht sich, ihrer Stimme einen tapferen Klang zu verleihen, auch wenn sich nicht ganz so selbstbewusst fühlt, wie sie versucht, vorzugeben.
"Ich hoffe für dich, du wirst diese Entscheidung nicht bereuen", knurrt die Kriegerin, ehe sie sich mit einem gewagten Sprung auf den Rücken des Hundes katapultiert.
"Ziel auf seine Augen!"
Lichtpfote bohrt die Krallen in den Boden. Den festen Untergrund zu spüren, tut gut und sie schöpft neuen Mut. Sobald der Hund seinen großen Kopf zurück in ihre Richtung schwenkt, schnellt sie vor. Sie streift seine Wange, doch nicht fest. Überrascht darüber, dass ihr Angriff zu langsam war, verliert sie das Gleichgewicht, taumelt. Der Hund nutzt diese einzigartige Gelegenheit und bekommt sie zu fassen. Seine Kiefer umschließen ihre Schulter und packen zu.
Schmerz. Einen solchen Schmerz hat sie noch nie gespürt. Sie schreit. Doch ob der Schrei ihren Mund verlässt, kann die nicht sagen.
Sterbliche Körper sind zu nichts zu gebrauchen.
Die Stimme seufzt genervt.
Reiß dich zusammen. Steh auf.
Die Helligkeit kehrt zurück. Geräusche werden wieder laut. Ihre Beine zittern. Erschöpfung drückt sie zu Boden.
Sei stark.
Wie sie diese Worte liebt...
Und sie erhebt sich. Die Schmerzen schwellen ab. Als sei ein Schalter umgelegt worden. Das Wesen in ihr verstummt, wie wenn nun es die Schmerzen ertragen, sie auf sich nehmen würde, um Lichtpfote zu stärken.
Danke.
Farnjäger
(1802 Posts bisher)
13.03.2018 21:43 (UTC)[zitieren]
Kapitel 14
Stolz durchflutet Lichtpfote, wie sie den beeindruckten Blick von Dunkelmeer sieht. Doch viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, denn auch der Hund hat sich wieder aufrappeln können. Was genau geschah, versteht er beim besten Willen nicht. Wo kam diese unsichtbare Kraft her, die ihn zu Boden zwang, kurz bevor er der kleinen, nervigen Katze den Todesbiss geben konnte?
Lichtpfote dreht sich zu dem riesigen Geschöpf um. Immer wieder verschwimmt ihr die Sicht, einerseits aufgrund der Ohnmacht, die sie in die Knie zu zwingen versucht, andererseits durch etwas Unerklärliches, das in ihr vorgeht und der Grund ist, weshalb Dunkelmeer die Augen nur schwer von ihr abwenden kann.
Bevor Lichtpfote sich dazu entschlossen hat, ob sie den Hund gleich erneut angreifen oder der Mentorin ihres Bruders den Vortritt überlassen soll, zieht dieser mit einem leisen Jaulen die Rute ein und macht mit großen Sprüngen, dass er davonkommt. Ein wenig verwundert wendet sich Lichtpfote an Dunkelmeer, die sich langsam wieder fasst.
"Unglaublich", murmelt sie. "Du bist eine außergewöhnliche Schülerin."
Lichtpfote nimmt das Lob gern entgegen, sieht sich kurz um. Sie scheinen im Kampf von den anderen getrennt worden zu sein, denn sie kann keine der Katzen mehr finden. Ausschließlich ein leiser werdendes Bellen sagt ihnen, dass auch die anderen den Kampf mit den Hunden abgeschlossen haben.
"Hörst du das?"
Dunkelmeer sieht mit aufgerichteten Ohren in die Richtung, in der sie die anderen vermutet.
"Was?", fragt Lichtpfote.
Sie kann nichts vernehmen.
"Es ist still", murmelt die Kriegerin. "Zu still..."
Jetzt registriert auch Lichtpfote die ungewöhnliche Lautlosigkeit. Sicher, der Kampflärm musste Vögel und jegliche andere Tiere davongejagt haben, doch sogar von ihren Clankameraden kam kein Laut, wie etwa Siegesgeheul.
"Verdammt", zischt Dunkelmeer.
Ohne Vorwarnung springt sie los und Lichtpfote hat Mühe, ihr zu folgen, nachdem der Kampf ihr alle Kräfte raubte.
Ein Schluchzen dringt an ihr Ohr und das ungute Gefühl in ihrem Bauch wird bestätigt, als sie auf die anderen trifft.
Funkenblitz kauert am Boden, blutüberströmt. Erst befürchtet Lichtpfote, er könne im Kampf schwer verletzt worden sein, bis sie sieht, worüber er sich beugt. Es ist nicht sein Blut, dass an seinen Pfoten klebt; es ist das von Kieselmond, seiner Mentorin. Mit bebenden Schultern leckt er ihr das langsam erkaltende Fell, wieder und wieder, und bemerkt nicht einmal die Neuankömmlinge, so sehr ist er in seiner Trauer versunken. Um ihn herum haben sich seine Clangefährten begeben und nehmen mit zu Boden gerichteten Blicken still daran teil. Sie heben die Köpfe, als Lichtpfote und Dunkelmeer auf der Lichtung erscheinen.
Eine eiskalte Klaue packt Lichtpfote am Hals und sie hat Mühe zu schlucken. Die Augen der anderen wirken ganz und gar nicht so, wie sie hätten aussehen sollen nach einem erfolgreichen Kampf, der tragischerweise ein Opfer fordert.
Lichtpfote hat bisher noch keine Totenwache miterlebt.
Vielleicht, so denkt sie einen Moment, ist es bei dieser Art von Zeremonie normal, abgrundtief bösartig zu gucken.
Doch diesen Gedanken verwirft sie gleich wieder, denn die Blicke gelten eindeutig ihr.
Funkenblitz hebt nun doch seinen Kopf. Er durchbohrt sie förmlich, so wie er sie ansieht.
Dann verlassen leise gezischte Worte seinen Mund, und Lichtpfote hat Mühe, sich das Zittern, das ihren Körper innerlich schüttelt, nicht anmerken zu lassen.
"Du... bist keine von uns. Mörderin."
Farnjäger
(1802 Posts bisher)
18.03.2018 13:51 (UTC)[zitieren]
Kapitel 15
"Wie Sterne einst vom Himmel fielen,
so wird unsre Welt bald untergehen.
Ein Wesen, schwarz wie die Nacht,
wächst in unserer Mitte heran.
Es erlangt an Stärke.
Es erlangt an Macht.
Vernichten wir es,
bevor es unsere Leben beendet.
Eines Tages, irgendwann."

Die leise Stimme der Heilerin klingt unheilvoll über die Lichtung. Nachdem sie geendet hat, senkt Schimmersee den Kopf. Eine solche Prophezeiung ist nicht leicht zu überbringen, vor allem, wenn der gesamte Clan ihren Worten lauscht. Doch Wespenstern forderte sie dazu auf. Es liegt eine Bedrohung in diesen Worten, die Warnung einer bevorstehenden Gefahr, die jede Katze etwas angeht. Der Anführer, der nur eine Katzenlänge entfernt neben ihr sitzt, nickt leicht.
"Das wird einiges verändern."
Als seien seine Worte der Auslöser gewesen, bricht auf der Lichtung zwischen den versammelten Katzen, wo zuvor noch eine angespannte Stille herrschte, Tumult aus. Die Katzen rufen durcheinander, einige springen auf und wollen der Heilerin Fragen stellen, die jedoch in dem Lärm untergehen.
Schimmersee klettert von dem Hochfelsen, auf dem sie zuvor noch saß. Sofort wird sie umringt. Die anderen merken nicht einmal, wie unangenehm ihr das Ganze ist, sehen nicht den verzweifelten Ausdruck ihrer Augen.
"ALLE MAL HERGEHÖRT!!"
Die Katzen verstummen und selbst das letzte Gemurmel bricht ab. Alle heben den Blick zu Wespenstern. Er hat sich erhoben, sein Fell ist gesträubt und seine Augen blitzen verärgert.
"Lasst Schimmersee in ihren Bau. Sie hatte eine schwere Nacht."
Sofort lösen sich ihre Clanmitglieder von der jungen Heilerin, kneifen schuldbewusst die Augen zusammen. Sie unterdrückt ein erleichtertes Seufzen und eilt zu ihrem Bau.
"Wer ist dieses Wesen, um das es in der Prophezeiung geht?", durchbricht eine hohe Stimme die Stille.
Es ist Wasserpfote, die die Frage stellte. Sie steht neben ihrem Bruder Sandpfote, relativ in der Mitte der Gruppe.
"Ist es eine Katze?"
Wieder fangen die Katzen an, durcheinander zu sprechen, doch ein scharfes Zischen von Wespenstern bringt sie zum Schweigen.
"Das ist eine berechtigte Frage, Wasserpfote", sagt der Anführer und wendet sich anschließend an alle Versammelten. "Die Prophezeiung ereilte Schimmersee diese Nacht und wir konnten sie noch nicht entschlüsseln."
"Was, wenn das Wesen uns jetzt gerade beobachtet? Alles mithört?", unterbricht Tannengrün ihren Anführer.
Die Augen der sonst starken Kriegerin blitzen ängstlich.
"Beruhigt euch. Noch kennen wir nicht die Beweggründe dieser Prophezeiung und auch nicht, was genau sie bedeutet", versucht Wespenstern die Situation zu beruhigen.
"Es wird unsere Leben beenden, wenn wir nichts unternehmen!! Das war ja wohl eindeutig!!"
Flussnacht's Stimme ist schrill. Sie hat von der Kinderstube aus alles mitgehört und zieht ihre zwei Junge Taujunges und Gerstenjunges enger an ihre Flanken.
Silberglut springt zu der aufgebrachten Königin und redet sanft auf sie ein. Die beiden sind gute Freundinnen. In Gegenwart von Flussnacht zeigt die zweite Anführerin oft eine Seite, die man bei ihr so nicht gewöhnt ist.
Abermals muss der Anführer um Aufmerksamkeit bitten.
"Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um das Rätsel zu lösen. Verfallt bitte nicht in Panik, denn das wird uns nicht helfen."
"Leichter gesagt als getan", faucht Herbstgold, die einzige Älteste des Clans. "In meinem ganzen Leben ist nie etwas Derartiges geschehen, doch als Junges habe ich Geschichten gehört von Clans, die den SternenClan nicht ernst genommen haben. Heute existieren sie nicht mehr. Aus eben diesem Grund!"
Erschrockene Blicke werden der eigentlich so ruhigen Kätzin zugeworfen. Wenn selbst Herbstgold die Fassung verliert, muss die Lage doch ernster sein als angenommen.
"Es wird von einem Wesen gesprochen!", ruft ein Kater. "Vielleicht sind damit auch die Zweibeiner gemeint."
"Zweibeiner gibt es nicht "in unserer Mitte". Sie waren schon immer eine Gefahr, doch das unzählige Blattwechsel auf demselben Niveau", entgegnet Silberglut.
Sie klettert nun zu Wespenstern auf den Hochfelsen.
"Was auch immer diese Prophezeiung uns mitteilen möchte... Wir werden vorbereitet sein! Wir sind keine schwächliche Horde von Hauskätzchen. Wir sind ein Clan! Wir besitzen Krallen und Zähne. Wir wissen uns zu verteidigen."
"Du sprichst immer von "uns". Aber was ist mit unserem NachbarClan? Dem DunkelClan?", meldet sich Morgentau zu Wort. "Haben sie vielleicht auch eine solche Prophezeiung bekommen?"
"Das werden wir in zwei Sonnenaufgängen auf der großen Versammlung erfahren", antwortet Wespenstern. "Bis dahin... Möge der SternenClan uns die Zeit geben, richtig zu handeln."
---
Derweil sitzt am Rand des Lagers Lichtpfote. Im Schatten des Dornenwalls, der die Lichtung umgibt, sieht sie keiner. Ihr schwarzes Fell geht im Dunkeln unter.
Schwarzes Fell.
Schwarz wie die Nacht.
Farnjäger
(1802 Posts bisher)
03.04.2018 17:00 (UTC)[zitieren]
Kapitel 16
Funkenblitz scheint sie regelrecht zu verachten seit dem Kampf. Seine Blicke sind vernichtend und kommt es zufällig zu einem Wortwechsel, so spricht er mit ihr wie mit einem Feind. Lichtpfote weiß sich nicht zu helfen, will der junge Krieger ihr den Grund doch nicht bekannt geben.
Der Verlust seiner Mentorin schmerzt, versucht sie sich sein Verhalten zu erklären.
Aber warum lässt er seine Wut und Trauer an ihr aus? Sie, die nicht einmal in der Nähe war, als Kieselmond starb.
Bei der Totenwache, die im Lager stattfand, hat sie es nicht gewagt, sich zu nähern. In stillen Gedanken wünschte sie der Kriegerin noch eine gute Reise, doch zu mehr ist Lichtpfote nicht in der Lage gewesen.
Sie schämt sich für etwas, das sie nicht getan hat und weiß nicht einmal, weshalb.
Lichtpfote teilt ihre Sorgen mit Thymianpfote. In letzter Zeit haben sie viel zu selten miteinander gesprochen, fällt ihr auf. Es tut gut, mal wieder ein Gespräch mit ihm zu führen. Nur Funkenblitz' Anschuldigung an sie, eine Mörderin zu sein, verschweigt sie ihrem Bruder.
"Es gibt immer jemanden, auf den man die Schuld zu schieben versucht", beginnt Thymianpfote langsam. "Direkt oder indirekt. Funke scheint dich gewählt zu haben."
"Aber warum ich?", protestiert Lichtpfote. "Warum muss ich der Sündenbock sein?"
"Das kann ich dir auch nicht sagen. Aber vielleicht kann ich mal mit ihm reden. Als er noch Schüler war, haben wir uns gut verstanden."
"Danke... Danke, Thymian."
---
"Können wir nicht mit den anderen trainieren?"
"Ich bevorzuge Einzeltraining. Da kannst du dich nicht ablenken lassen."
Schwarzdorn duldet keinen Widerspruch und verlässt zügig das Lager.
Lichtpfote unterdrückt ein missmutiges Fauchen. Nur zu gern würde sie ihren Geschwistern mal beim Training zusehen, mit ihnen Erfahrungen und Tricks austauschen und ihr eigenes Können unter Beweis stellen. Wenn sie abends mit Schwarzdorn ins Lager kommt, ist sie meist müde und auch ihre Geschwister haben keine Lust mehr dazu, das Versäumte nachzuholen.
Sie erreichen eine Lichtung, auf der sie schon öfters trainierten. Lichtpfote bleibt am Rand stehen und wendet sich an ihren Mentor.
"Wir üben Abwehrtechniken", sagt er und Lichtpfote seufzt leise.
"Aber..."
"Kein 'Aber'."
Schwarzdorn tritt auf die Mitte des Platzes und Lichtpfote folgt ihm widerwillig. Abwehrtechniken haben sie schon gestern geübt und die Tage davor. Sie hat nichts dagegen, Gelerntes zu wiederholen, um es zu verinnerlichen, doch sie würde viel lieber endlich zum Wesentlichen kommen und wonach sie sich schon das gesamte Training lang sehnt.
Der Kampf. Angriff. Attacken anwenden und selbständig abändern. Eigene Techniken und Taktiken entwickeln.
Sie weiß, sie würde diese Aufgaben mit Stolz erfüllen. Sie kann kämpfen, das hat Lichtpfote im Kampf gegen die Hunde schon unter Beweis stellen können.
Beerenpfote erzählte ihr, Dunkelmeer habe ihm schon am ersten Tag einige Techniken beigebracht, während Lichtpfote mit Schwarzdorn auf der Jagd war.
Überhaupt scheint ihr Mentor den Kampf zu meiden. Lichtpfote ist die letzten Tage dankbar gewesen über die Abwehrübungen, doch langsam verliert sie die Geduld.
Sie stellt sich ihm gegenüber und bemüht sich, nicht allzu gelangweilt zu wirken.
"Ich werde dich jetzt angreifen und du versuchst, den Angriff abzuwehren, wie wir es geübt haben."
Das brauchst du mir nicht zu sagen.
Lichtpfote nickt.
Schwarzdorn schnellt vor. Sie reagiert sofort und weicht zur Seite aus. Ihre Pfoten jucken. Zu gern würde sie ebenfalls einen Angriff machen, doch das sei, laut ihrem Mentor, nicht Teil der Übung. Er setzt sofort nach, schlägt mit eingefahrenen Krallen nach ihr und sie pariert, indem sie seine Pfote mit einem schnellen Hieb von sich drückt. Er fordert sie mit einer Abfolge von Schlägen, wie sie es zuvor schon geübt haben und Lichtpfote wehrt sie mit Leichtigkeit ab.
"Mehr Enthusiasmus, Licht."
Schwarzdorn weicht kurz zurück, sammelt sich einen winzigen Moment und springt sie dann plötzlich an. Lichtpfote, für die der Angriff vollkommen unerwartet kommt, quiekt überrascht auf, als er sie zu Boden drückt.
"In einem Kampf kommt jeder Angriff wie aus dem Nichts. Du musst auf alles vorbereitet sein."
Lichtpfote sträubt das Fell.
"Lass mich los."
"Würde der Feind dich loslassen, wenn du ihn dazu aufforderst?"
Sie wehrt sich und er verlagert sein Gewicht auf die Vorderpfoten, macht sich schwer, bis sie sich kaum noch bewegen kann.
"Lass mich los!"
Er kommt näher, bis sein Gesicht dicht vor dem Ihren ist.
"Wieso sollte ich?"
---
"Du... bist keine von uns. Mörderin."
Immer wieder geistern diese Worte in ihrem Kopf herum.
Was meinte Funkenblitz damit?
Lichtpfote fühlt sich schlecht, entkräftet, und weiß nicht einmal, weshalb.
Reiß dich zusammen.
Die Stimme in ihr klingt genervt. Genervt von den Gefühlen, die die Aussage - diese Anschuldigung - auslöst.
Was meinte er damit?
Denk nach, Lichtpfote. Du bist kein Junges mehr.
Nachdenken? Ich habe nie etwas getan, dass er sowas sagen kann!
Nein. Du nicht.

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